Story: Das Inserat Teil 1

Sie nahm ihr die Augenbinde ab. "So wird das nichts, tut mir leid" und nach einer Pause: "mein Name ist Anna".
Die Frau blinzelte ihr entgegen. Obwohl das Licht durch die hellen Jalousien gedämpft war schien sie sich erst akklimatisieren zu müssen. Dann richtete sie sich auf dem Hocker auf und streckte den Rücken durch.
"Natalie, hallo." Sie lächelte.
Anna las darin Erstaunen und Verunsicherung, Enttäuschen meinte sie nicht zu finden.
Beide begannen gleichzeitig zu grinsen. Die Frau vor ihr schob sich ihre Haare hinter die Ohren. "Und nun? Ich bin ein bisschen aus dem Konzept jetzt!"
"Du hast echt noch nie mit einer Frau?" Natalie schüttelte ihren Kopf. Anna mochte wie ihre Haare dabei mit flogen.
"Hast du Lust drauf?" Ein nicken war die Antwort. Für Anna kam es zu zögerlich. (da war sie streng)
"Hast du denn schon?" Natalie blickte sie offen an und begann an ihren Fingernägeln zu nesteln.
Das hab ich euch eh auch schon in der langen Mail an euch erwähnt: " ich bin bisexuell und seit meinem zwanzigsten Lebensjahr Frauen sehr zugetan." Hast du es auch gelesen oder nur dein Mann?
Ihr Gegenüber verschränkte die Hände auf der Brust.
Anna atmete durch: " weißt du was? Was hältst du davon wenn du dir was anziehst und wir gehen ins Café gegenüber und plaudern ein wenig?"
Natalie schien das für eine Spitzenidee zu halten, schon sprang sie vom Hocker und verschwand im Nebenraum um kurze Zeit später in Jeans und T-Shirt wieder zu kommen. Die Strümpfe darunter schien sie angelassen zu haben.
Beim - in die Schuhe schlüpfen rief sie in den Raum gleich neben der Eingangstüre: "wir gehen was trinken, weiß nicht wann ich zurück bin."
Der Mann der Anna die Türe geöffnet hatte schob seinen Kopf wieder Kuckuck aus der Uhr aus dem Zimmer. "Seit ihr schon fertig oder wie?"
"Wir haben noch gar nicht angefangen!" Anna hielt Natalie die Türe auf deren Schwelle sie vor nicht einmal zwanzig Minuten mit klopfenden Herzen überschritten hatte.
Natalies Absätze klapperten hurtig die Treppen hinunter, Anna folgte ihr langsamer. In welch seltsamen Situationen sie sich immer wiederfand. Sich von einem Mann per Mail zu einen Sexdate mit einer Frau verkuppeln lassen deren Mann wiederum eine Annonce für das tête-à-tête auf einer Online Plattform aufgegeben hat. "Mann sucht für seine in Frauenlust unerfahrene Frau eine dominante sie." Oder so ähnlich stand es da. Klang verrückt, war es auch. Für ihren Geschmack zogen da zu viele Männer die Fäden an der Geschichte, oder der Frauenlust, oder beidem. Sie brauchte erst mal eine Kaffee und bereute es gerade unheimlich, dass die wieder einmal versuchte mit dem Rauchen aufzuhören.

"Eine Melange bitte!" Sie hatten kaum ihre Beine unter dem kleinen Tischchen verstaut da war der Kellner auch schon bei ihnen. "Ah und ein großen Glas Wasser dazu."
Er blickte mit Stift und Block in der Hand erwartungsvoll zu Anna. "Einen Espresso und einen Café Latte, Wasser bitte auch." Der Kellner stockte kurz. "soll ich noch einen Stuhl dazustellen? Kommt noch wer?"
Anna lachte: "Nein, ich bin bloß eine Frau mit Entscheidungsschwäche, oder die beides haben will." Natalie lacht auch.

"Schreckliche Angewohnheit oder?" Aber das war schon immer so, erst der Espresso für die Wirkung und dann der Milchkaffee für den Genuss"
"Naja,…" Natalie lachte wieder, sie schien nicht zu wissen was sie sagen sollte. Ihr Blick streifte die Hausfassade gegenüber.
"Glaubst du dein Mann beobachtet uns durch Fenster?"
"Worauf die einen lassen kannst." Ihre Wortwahl schien sie erschreckt zu haben, sie fuhr sich mit der rechten Hand an den Mund und Anna begann zu prusten. "was glaubt er denn was wir hier machen?"
"Keine Ahnung, ich schätze er ist erstens irritiert und will sichergehen, dass ich nicht gleich in einen weißen VW Bus gezerrt werde oder so."
Der Kellern stellte einen großen Krug Wasser in die Mitte des Tisches.
"Ich neige zu vielem, zum zerren nicht, außerdem habe ich keinen Führerschein." Sie nahm ihm das kleine Silbertablett mit dem Espresso ab.
Natalie begann das Zuckersäckchen zu schütteln sobald die Melange vor ihr stand. "Es war halt nicht so vereinbart, da darf er sich auch wundern und ein bisschen Sorgen machen."
"Darf er. Ein Hoch auf deinen Mann!"
Anna prostete mit der Espressotasse in die Richtung in der sie Natalies Wohnung vermutete. Tatsächlich bewegte sich in einem der Fenster ein Vorhang. Konnte aber auch Zufall sein.
Natalie kicherte leise, das Zuckersäckchen schüttelte sie noch immer.
"Tut mir echt leid, dass ich mich nicht an die Vereinbarung gehalten habe." Sie beugte sich dabei leicht nach rechts um ein bisschen was vom Zigarettenrauch der von Nachbartisch her wehte abzubekommen. Sie vermisste die Verlegenheitshandlung des Rauchens in diesem Moment besonders. Natalie hatte das Zuckersäckchen beiseite gelegt ohne es zu öffnen. Es war eines mit diesen Sternzeichen drauf. Sie verkniff sich den Astrologie Smalltalk und die Frage nach Natalies Geburtstag.
"Schon ok, ich hab noch nie mit einer Frau weißt du."
"Aber mit fremden Männern hast du so eine Nummer schon öfters gehabt?"
Natalie nickte. Anna überlegte ob sie einer von den Menschen war die abseits des Schlafzimmers eine kleine Hemmung aufriss wenn es um Sex ging.
Ein "Ja" begleitete das Nicken.
"Und dein Mann fädelt das ein und sucht die Männer aus?"
"Ja! Findest du das arg?"
"Findest du es geil?"
"Ja" Natalie kam gar nicht aus dem Nicken heraus.
"Safe?"
"Immer."
"Na dann maseltov!"
Natalie lachte und Anna mit ihr.

"Du schläfst mit Frauen und Männern?" Natalie beugte sich ein wenig vor und Anna mochte das Dekolletee eine Armlänge gegenüber. Fast bereute sie es ihr vorhin in der Wohnung nicht einmal über den Busen gestrichen zu haben.
"Äh ja, aber in der Regel nicht gleichzeitig - also du weißt schon."
"Und was ist besser?"
Anna hielt die Espressotasse und das Glas mit dem Milchkaffee vor ihr hoch.
"Machen dich Frauen genauso an?"
"Worauf du einen lassen kannst."
Natalie hätte fast den letzten Schluck Kaffee über den Tisch gespuckt.
"Mich machen Frauen unheimlich an. Mösengeil nennt man das wohl."
Sie war in ihrer Euphorie scheints ein wenig zu laut gewesen. Der Raucher am Nebentisch musterte sie von oben bis unten. Anna zwinkerte ihm zu. Er drehte sich weg und dämpfte die Zigarette aus.
"Wie ist das mit Frauen, ich meine viel anders? Hast du schon mit vielen geschlafen?"
Anna schlüpfte unter dem Tisch aus ihren Schuhen. Es war heiß und ihre Beine schwer. Natalie füllte Wasser aus dem Krug nach.
"Ich hab vor allem lange mit einer geschlafen, und ein paar andere kamen noch dazu."
"Aha" Natalie wischte mit ihrer Serviette die Wasserringe die die Gläser hinterlassen hatten vom Tisch.
"Und das war gut?" Natalie schaute ihr offen in die Augen. Anna fiel auf, dass es das erste Mal war seit sie im Cafe saßen.
"Gut, geil, atemberaubend, wild, sanft, endlos, kurz, beleben, erschöpfend, wie Sex halt ist." Anna hielt den Blick. "Noch gibt es die Möglichkeit es auszuprobieren." Ihre Stimme war unabsichtlich tiefer geworden merkte sie.
"Wie jetzt? Ich dachte du willst nicht mit mir schlafen?" Natalie griff mit beiden Händen zu ihrem Glas.
"So ein Blödsinn, ich bin mir nur, da in deinem Wohnzimmer wie im falschen Film vorgekommen…. "
Der Kellner unterbrach sie. "Darf ich abkassieren? Ich hab Schichtende."
"Wie? Ach so, Moment. Alles zusammen bitte." Anna begann in ihrer monströsen Tasche zu kramen. Fand wieder einmal nichts, und räumte Weste, Schal und Buch heraus um besser nach der Geldbörse tasten zu können.
Natalie griff nach dem Buch. „Lustig das lese ich gerade auch.“
Als Anna die Geldbörse in die Tasche zurückfallen ließ landete sie scheppernd auf den Schlüsseln. Weste und Schal stopfte sie hinterher.
"Weißt du, ich hab das nicht so drauf wie du. Bei der Vorstellung mit einer völlig Fremden zu schlafen ohne mich überhaupt vorgestellt , geschweige denn auf einen Kaffee eingeladen zu haben war der Sex in mir weg. Und ganz ehrlich hat mich dein Mann im Nebenzimmer unrund gemacht."
"Das mit dem Kaffee hätte sich jetzt erledigt." Natalies Blick glitt wieder über die Hauswand.

Anna räusperte sich. "Du stehst auf verbundene Augen?"
Natalies Blick war wieder bei ihr. "Ja, es ist das Ungewisse. Finde ich aufregend. Bist du denn dominant?" Sie senkte ihren Blick und drehte das Glas in ihren Händen.
"Pfff…, ja, jein, manchmal. Auch unabsichtlich. Mit Männern. Aber nie nach Drehbuch. Und ich hatte meistens, fast immer, sehr starke Frauen an meiner Seite. Ich weiß schon, das schließt dominante Spiele nicht aus. Meine letzte Liebhaberin hat das allerdings stark eingefordert."
"Und?"
"Jetzt hat sie einen dominanten Mann."
"Oh"
Anna bemerkte erst jetzt, dass sie ihre Tasche die ganze Zeit auf ihrem Schoß gehalten hatte.
"Kein oh bitte, schon ok." Sie hielt sich an den Henkeln fest. "Hast du denn noch immer Lust auf Ungewisses? Ich meine richtig Ungewisses?"
Natalie blickte sie mit großen Augen an. "Wie jetzt?"
"Ich habe eine Idee. Aber da würde dein Mann nicht in der Nähe sein. Aber VW Busse auch nicht. Keine Angst."
Natalie schmunzelte. Anna mochte die kleinen Fältchen um ihre Lippen.
"Ein Ausflug zu einem Ort den ich echt gerne mag, ich glaube du würdest es dort mögen. Und nein, kein Swingerclub oder eine dubiose Sexbar. Hochseriös und nur ich dort. Versprochen. Und ich bringe dich wieder gut nach Hause. Auch versprochen. "
Natalie begann in ihrer Tasche zu kramen. Sie schien ähnliche Schwierigkeiten mit dem Finden darin zu haben wie Anna.
Endlich hatte sie ihr Handy heraus gekramt und begann zu tippen. "sag mir die Adresse bitte."
"Suchst du die beste Öffiverbindung oder wie?" Anna war über ihre Reaktion erstaunt.
"Nein, ich will sie meinem Mann schicken."
Anna war überrascht, mehr als überrascht. Fast geriet sie ins Stottern. "Äh, Glatzgasse 9 glaube ich, nein 7 im 19. Bezirk"
Natalies Daumen huschte über den kleinen Bildschirm. Sie legte das Handy auf den Tisch und schaute sie an. „Moment noch bitte.“ Beide schauten auf ihr Telefon. Anna wünschte sich wieder eine Zigarette. Drehte stattdessen weiter den Henkel ihrer Tasche in der Hand. Das Mobiltelefon summte leise.
Anna schlüpfte in ihre Schuhe. Ein kleiner Schmerzlaut entkam ihr. Kardinalfehler. Drückende Schuhe niemals ausziehen sonst kommt man nicht mehr hinein. Einmal war sie schon in Strümpfen aus dem Kino heimgegangen - zum Amüsement ihrer damaligen Begleitung.
So kramte sie ihrerseits nach dem Telefon und rief ein Taxi. Die Nummer hatte sie auf Kurzwahl.
Sowohl das Warten auf die Droschke als auch die Fahrt verliefen größtenteils schweigend. Anna hatte kein Repertoire an Smalltalk für Situationen mit Menschen mit denen man gleich Sex haben würde und außerdem schien Natalie in einer seltsamen Anspannung zu sein. Aber wer konnte es ihr verdenken. Anna griff im Taxi ihre Hand, Natalie erwiderte es mit leichtem Druck.

c/o Shabu