Story: Wiedervorlage

Textdarstellung normal invers Retro | Textgröße A A A
von guapasguapo am 8.3.2010, 22:05:39 in Sie+Er

Wiedervorlage

Das ist eine Fortsetzung der bisherigen Geschichte:
Ich stand in meinem Büro und starrte das Fax in meiner Hand an. Irgendwann später sagte meine Frau zu mir, das sei doch eine klare Arbeitsanweisung, aber in diesem Moment war ich einigermaßen sprachlos. Aus irgendeinem Grund nahm ich mein Handy und tippte eine SMS an meine Chefin: "Denke, wir sollten bald in Ruhe reden", schrieb ich. Die Antwort kam schnell: "Nächste Woche, internationaler Kongress in Berlin. Ich gehe davon aus, dass Sie die Vorbereitung übernehmen?" Ich musste grinsen; sie war immer noch so förmlich.

Den Rest der Woche sahen wir uns kaum. Sie war viel dienstlich unterwegs, aber ich merkte, dass wir uns bei ehrlicher Betrachtung wohl auch aus dem Weg gingen. Selbst die routinemäßigen Telefonate am Morgen, um das aktuelle Geschäft abzustimmen waren ungewöhnlich knapp.

Der Kongress kam und auf einmal waren wir deratig in unserer Arbeit versunken, dass ich mit keinem Gedanken bei der "Wiedervorlage" war. Am zweiten Abend saßen wir erschöpft von unzähligen Gesprächen, Vorträgen und vertraulichen Runden in der Bar unseres Hotels und betrachteten stumm unsere Cocktailgläser. "Was sagt eigentlich Ihre Frau dazu?", fragte Sie auf einmal. Ich spürte, dass ich leicht errötete.
"Wozu?", spielte ich ihr den Ball zurück.
"Naja, zu dem... Zu Ihrem Memo von neulich...", sagte sie, ohne den Blick von ihrem Glas zu nehmen.

Ich holte tief Luft und überlegte, wie ich beginnen sollte. Und bevor ich mich versah, sagte ich: "Sie meint, ich sollte mich bei Ihnen bedanken, für die anregenden Gespräche beim..." Was rede ich denn da, schoss es mir durch den Kopf und spürte, wie ich jetzt wirklich rot wurde. Als ich ihr ins Gesicht sah, bemerkte ich dass es ihr genauso ging. So blickten wir uns eine ganze Weile mit hochroten Köpfen an. Schließlich musste sie lachen: "Sie meinten die Gespräche beim Abendessen, nicht wahr?" Ihr Lachen war ansteckend. "Genau", grinste ich.
Es dauerte eine Weile, bis wir uns beide beruhigt hatten und wieder in unsere Gläser blickten. "Wissen Sie", sagte ich leise, mehr zu mir selbst, "es ist für mich eine merkwürdige Situation... Eigentlich bin ich ja ein erwachsener Mensch und trotzdem fällt es mir irgendwie schwer... Das macht man ja nicht...", den letzten Satz setzte ich mit beiden Händen in Anführungszeichen.

Sie seufzte tief, schob ihr leeres Glas zur Bardame hin und bedeutete ihr, dass sie nachschenken soll. Ich schloß mich ihr an.
"Ach, was soll's - wenn Sie mich fertig machen wollten...", ihre Lippen zitterten ein wenig. "Sie sind in einer besseren Lage, wissen Sie. Sie sind ein Mann und sitzen nicht ständig diesen alten männern gegenüber, die entweder daran arbeiten, an Ihnen zu zeigen, dass Frauen nicht in Führungspositionen gehören, oder darüber nachdenken, welche Unterwäsche ich wohl tragen könnte.
Und Sie haben zuhause eine Frau, mit der Sie über solche... solche Dinge, die man eigentlich nicht macht, reden können. Mein Mann würde vor Scham die Sprache verlieren... Und wir sehen uns sowieso nur am Wochenende."
Ich starrte sie fassungslos an. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. "Wissen Sie", fuhr sie fort, während sie einen großen Schluck aus dem neuen Glas nahm, "Ihre Andeutungen über Zugfahrten, als wir uns gerade kennengelernt hatten, waren für mich unterhaltsame Flirts, die unsere gute Zusammenarbeit angenehm auflockern." Sie ruderte hilflos mit den Armen in der Luft und trank dann den Rest ihres Glases in einem Zug aus.
Als ich etwas sagen wollte, schüttelte sie entschlossen mit erhobenem Zeigefinger den Kopf. "Dann im Zug... Also hinterher dachte ich: das musst du dir eingebildet haben. Wie Sie eben sagten - sowas macht man doch nicht. Aber wenn ich Abends im Bett liege denke ich oft daran..." Sie deutete mit den Händen an, dass Sie nach einem passenden Wort suchte. "... und... Ach verdammte Scheiße, es macht mich geil... Jetzt ist es raus..."

Es war, als hätte jemand mit dem letzten Satz die Luft aus ihr rausgelassen. Sie sank zurück in den Barhocker und senkte den Blick. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich aufgestanden war. Ich kannte sie bisher nur als souveräne Geschäftsfrau. Jetzt wirkte sie sehr verletzlich.
"Das wollte ich nicht", murmelte ich.
"Was?", fragte sie leise zurück.
"Naja, ich dachte die ganze Zeit, ich müsste mir Gedanken machen. Ich meine, ein Wort von Ihnen zum Betriebsrat..."
"Da machen Sie sich mal keine Sorgen", sagte sie und es huschte wieder ein Hauch von einem Lächeln über ihr Gesicht. "Das war jetzt echt zu viel für mich. Und nüchtern bin ich auch nicht... Ich denke, ich gehe lieber ins Bett."

Ich blieb noch einen Augenblick sitzen und trank mein Glas aus, während ich meiner Frau eine Gute-Nacht-sms schrieb. Ich hatte gerade mein Zimmer betreten, als mein Handy mir eine neue Nachricht anzeigte. Sie war von meiner Chefin: "Ist doch albern, dass wir beide aus dem gleichen Grund voreinander Angst haben, oder?"
Da hatte sie natürlich recht. "Stimmt - warum hatten Sie eigentlich "Wiedervorlage" auf das Fax geschrieben?", smste ich zurück.
"Hab ich das? War dann ein Automatismus - wie haben Sie es denn verstanden?"
"Als "müssen wir drüber reden" - haben wir jetzt ja auch."
"Ich werde noch einmal drüber nachdenken, ob der Vorgang dann schon in die Ablage kann. zwinker.gif Sonst noch Fragen?"
Ich überlegte kurz. "Ja - ist es schlimm, wenn ich auch darüber nachgedacht habe, was Sie für Unterwäsche tragen? zwinker.gif"
"Nein, Ihnen hat man es auch nicht so angesehen..." Nach einem Augenblick kam eine zweite sms: "Und wenn es Sie wirklich interessiert: im Moment keine - bin schon im Bett."

Ich hatte inzwischen meine Abendtoilette erledigt und lies mich auf das Bett fallen. Hotelbetten haben einen ganz eigenen Geruch und ich frage mich jedes mal, was sie wohl schon erlebt haben. Ich nahm noch einmal das Handy zur Hand: "Und?", tippte ich.
"Darüber redet man doch nicht", kam es prompt zurück. "Schonen Sie dieses Mal vielleicht den Teppich..."
Ich nahm mein getragenes T-Shirt und dachte beim Einschlafen darüber nach, was der nächste Tag wohl bringen würde.

Mehr Stories von guapasguapo

Kommentare

    Du darfst diesen Beitrag leider nicht kommentieren!