Die Tür [Teil 5]
Nur gedämpft drangen die Geräusche des Festes in den Keller. Désiré wartete. Die Turmuhr schlug Mitternacht. Zaghaft begann sie rufen. Ihre Stimme verhallte ungehört, niemand antwortete. Unruhe stieg in ihr auf. Mit eisigem Schreck fiel ihr auf, daß sich das Licht verändert hatte. Der Gang vor ihrer Zelle schien dunkler als noch vor einiger Zeit. Sie kroch soweit vor, wie die Kette es zuließ und versuchte in den Gang zu spähen. Zitternd erlosch gerade eine Fackel, wie eine Kerze am Weihnachtsbaum. Das Licht wurde immer spärlicher. Nackte Angst kroch in Désiré hoch. Bald würde sie von tiefster Dunkelheit umhüllt sein, denn kein Lichtstrahl drang von außen in ihr Verließ. Zusammengekauert hockte sie sich in die Ecke. Immer wieder vergewisserte sie sich den Standort des Holzeimers in einiger Entfernung, ihrer Toilette, wie der Kerkermeister ironisch bemerkt hatte. Ohne Vorwarnung war die Dunkelheit da. Panik überschwemmt Désiré. Sie zerrte und tobte wild an den Ketten. Ihr Verstand wußte, daß sie sich niemals aus eigener Kraft befreien konnte, aber das machte ihre Lage nicht besser. Er hatte es wiedermal geschafft. Sie erlebte ihre Hilflosigkeit mit überdeutlicher Klarheit. Gefangen! Unablässig hämmerte dieses eine Wort durch ihr Hirn. Auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Seltsam, wie lebendig diese Worte in ihrer jetzigen Situation wurden. Désiré war kurz davor durchzudrehen. Da bohrte ein klitzekleines Gefühl sich in ihren Unterleib. Die Bilder des Tages tauchten plastisch auf. Die Szene in der Schmiede. Die Demütigung am Pranger. Der blitzende Dolch, der ihr Kleid aufschlitzte. Unwillkürlich griff eine Hand nach hinten. Die Verbindungskette zwischen den Handschellen klirrte. Mit der linken hielt sie die Kette fest und fuhr mit der rechten ans Gesäß. Die Hand zuckte kurz zurück, noch immer schmerzten die Striemen. Aber die Hand wanderte weiter, spürte die Entblößung. Ihr Zeigefinger war tropfnaß. Und fand seinen Weg in ihr Geschlecht. Die Eisenfessel drückte und die Kette spannte sich über ihrer Hüfte. Kurzentschloßen warf sie sich rücklings auf das pieksende Strohlager. Dank des Schlitzes brauchte sie das Kleid nicht vorne zu raffen, es reichte, eine Seite hochzuschlagen. Durch den Stoff spürte sie die Kühle der Eisenfesseln, als ihre Hände zwischen die Beine glitten. Die Kette klirrte im Takt und hüpfte auf ihrem Bauch. Erschöpft glitt sie nahtlos in den Schlaf.
Das laute Rasseln eines Schlüsselbundes weckte sie, schlaftrunken fuhr sie aus dem Stroh hoch. Ein Knecht und der Profos standen direkt vor ihr. "Auf! Du hast noch mal Glück gehabt. Der Fremde dort", der Profos zeigte auf Amir, der im Gang stand, "hat dich gekauft und wird dich in sein Heidenland mitnehmen. Da könnt ihr dann gemeinsam zur Hölle fahren!" Amir lächelte, Désiré schüttelte leicht den Kopf und strahlte zurück. Notdürftig wurde das aufgeschlitzte Kleid geflickt und dann zog der Knecht sie an der Kette, die er über seine Schulter gelegt hatte, hinter sich her ins Freie. Geblendet vom hellen Tageslicht schloß sie für einen Moment die Augen. Um ein Haar wäre sie im Hof gestürzt, weil sie sich beim Gehen dauernd vergewissern wollte, ob Amir ihnen noch folgte. Mit einigen gut dosierten Schlägen öffnete der Schmied die Fesseln. Désiré mußte wegen des ohrenbetäubenden Klingelns, das nach den Lösen des Halseisens wieder aufgetreten war, noch mal Nachfragen, als Amir etwas zu ihr gesagt hatte. Er deutete auf die am Boden liegenden Fesseln: "Ich sagte, eigentlich schade, daß die Dinger schon ab sind!" brüllte er. "Find ich nicht", konterte Désiré. "Du glaubst gar nicht, wie unbequem die sind!" Amir grinste spöttisch: "Wirklich nur unbequem? Nicht auch ein bißchen, hm, sagen wir mal Flüssigkeits stimulierend?" Er starrte auf ihren Unterleib. Verwirrt folgte sie seinem Blick, sah an sich herunter und errötete. Deutlich zeichnete sich ein großer eingetrockneter Fleck in Höhe des Beinansatzes ab. Der Stoff mußte während des Schlafens die Feuchte zwischen ihren Beinen aufgesaugt haben. Er hakte sie unter und zog sie mit sich fort in Richtung Burg. "Mit Verlaub meine Liebe, du riechst etwas!" und zupfte ihr dabei naserümpfend einen Strohhalm aus den wirren Haaren. Daß er sie noch vor dem Baden für ihre freche Antwort übers Knie legte, konnte sie verstehen. Dafür kümmerte er sich liebevoll anschließend um sie. Und ging Hand in Hand mit ihr bummelnd über das Fest.
Gerade schlug die Uhr einmal. Amir deutete auf den Pranger: "Schade, heute haben sie wohl keine Hexe mehr da?" Sie knuffte ihn mit dem Arm in die Seite. "Ah, dann möchtest du auch nicht ein kurzen Blick in das Burgverließ werfen?" Zu seiner Überraschung wollte sie. Diesmal sah alles ganz anders aus, stellte sie innerlich überrascht fest. Tagträumend blieb sie neben der Zelle stehen, in der sie gefangengehalten worden war. Quietschend schwang die Tür auf. Sie trat ein, drehte sich um und sah ihn durch das Gitter an: "Muß ich ein schlechtes Gewissen haben?" Amir spielte den Unwissenden. "Hast du dich als Kerkermeister verkleidet?" Ihr Herz schlug bis zum Hals. "Und wenn?" Désiré schwieg, senkte den Kopf und scharrt mit einem Fuß über den Steinboden. "Bitte! Es ist für mich sehr wichtig. Warst du es?" Sie sah in seine Augen. Durch die Gitterstäbe umschlang sie ihn und küßte ihn wild. Er brauchte wirklich nicht zu antworten.
Mit zitternden Händen schob sie einige Tage später auf der Arbeit die Fotos in den Umschlag zurück. Sie versteckte den Umschlag unter der Jacke und schloß sich in der Toilette ein. Mein Gott! Er mußte verrückt sein. Bilder von ihrem Abenteuer auf dem Mittelalterfest. Immer wieder blätterte sie mit zitternden Fingern den Stapel durch. Wenn die jemand Falsches in die Hände gefallen wären. Langsam legte sich das flaue Gefühl in der Magengegend. Erst Zuhause konnte sie die Bilder in Ruhe betrachten. Und augenblicklich machte sich ein anderes Gefühl in ihr breit. Sie griff eben zum Telefon, um ihn anzurufen, als es bei ihr klingelte. Es dauerte einige Sekunden, bis sie die Anruferin einsortieren konnte. Nadine. Die Bekanntschaft vom Burgfest. Sie sei grad in der Stadt und ob sie sich wohl irgendwo treffen könnten. Nadine schluckte hörbar, als Désiré sagte: "Ja, furchtbar gerne. Aber ich muß erst fragen, ob ich darf. Ruf mich doch in einer halben Stunde noch mal an, ja?" Amir erteilte seine Erlaubnis unter Bedingung, daß das Treffen in ihrer Wohnung stattfinden würde. Der alte Fuchs, dachte Désiré später im Verlauf des Treffens. So konnte sie die Fragen von Nadine zum Teil plastisch beantworten. Auf dem Wohnzimmerteppich breiteten sich vor den beiden kauernden Frauen bald die verschiedensten Utensilien aus. Kleidungsstücke, Fesseln, Peitschen, Dildos, ein Korsett und vieles mehr, führte Désiré der staunenden Nadine vor. Gierig sog die alle Informationen auf, bis sie plötzlich Désiré am Arm packte: "Du ahnst gar nicht, wie sehr du mir geholfen hast!" und brach in befreiende Tränen aus. Sie habe sich bisher immer ihrer Phantasien geschämt und geglaubt krank oder pervers, oder beides zu sein. Désiré fühlte sich an sich selbst erinnert und nahm Nadine tröstend in die Arme. "Du hast es gut", schluchzte Nadine, "wer findet schon so einen Gebieter wie du!" Erschreckt zuckte Désiré zusammen. In Bruchteilen einer Sekunde wurde ihr klar, was Nadine da gerade gesagt hatte.
Nachdem Nadine sich unter gegenseitigen Versprechen auf ein baldiges Wiedersehen verabschiedet hatte, stürmte Désiré zu Amirs Wohnung. Er war nicht da. Sie hockte sich an die Tür gelehnt auf die Fußmatte und wartete. Irgendwann mußte sie anscheinend eingenickt sein; seine spöttische Bemerkung über zugelaufene Kätzchen schreckte sie hoch. Verwundert registrierte er, daß sie ohne aufzuzustehen auf allen Vieren durch die galant aufgehaltene Tür in den Flur krabbelte. Irgend etwas war geschehen. Als sie sich sofort nach dem Schließen der Tür in genau der Art und Weise vor ihm niederwarf und seine Schuhe küßte, wie er es ihr, bisher allerdings nur unter erheblichen Mühen, versucht hatte beizubringen, erstarrte er einen Moment in Fassungslosigkeit. Der Taumel dauert nur sekundenlang, bis er sich wieder fing. Dieser Moment würde unweigerlich durch Ironie zerstört werden, daher verkniff er sich den Kommentar, der ihm auf der Zunge lag. "Zieh dich aus, geh ins Bett und warte dort auf mich!" Fügsam befolgte Désiré seinem Befehl und verschwand im Schlafzimmer. Nachdem er noch einige wichtige Telefonate geführt hatte, ging er ins Schlafzimmer. Beim gedämpften Licht einer Kerze lenkte Amir behutsam das Gespräch auf die festgestellte Veränderung. Als ob er einen Damm angebohrt hätte, sprudelt es aus Désiré hervor. Wie ihr beim heutigen Treffen mit Nadine die Augen aufgegangen seien. "Bitte, Sie schicken mich nicht mehr weg?" Ängstlich sah sie ihn an. Er schwieg eine Minute. Désiré hielt erschreckt den Atem an. "Im Gegenteil. Was hältst du davon, wenn wir zusammenziehen? Ich kenne da ein nettes, abgeschiedenes Haus, in dem Platz für uns beide ist." Jubelnd fiel Désiré über ihn her. "Freu dich nicht zu früh! Denn da hab ich dich ständig unter Kontrolle", drohte er scherzhaft. Verschmitzt lachte sie ihn an: "Darauf freue ich mich ganz besonders!"
Wieder ein paar Tage später fand Amir eine dringend Nachricht von Désiré auf seinem Anrufbeantworter vor. Obwohl es schon spät war, rief er zurück. Schlaftrunken meldete sich Désiré. Als sie erkannte, daß Amir sie anrief, war sie schlagartig wach. "Nadine hat heute abend angerufen - doch du kennst sie, ich hab dir doch von ihr erzählt - und gefragt, ob ich mit ihr zusammen auf eine Veranstaltung gehe, wie neulich bei Siegbert. Sie würde gerne meine Rolle einnehmen, traut sich aber noch nicht alleine. Sie bittet, daß ich es mit ihr zusammen mache." Amir schwieg einen Moment, bevor er ihr mitteilte, daß er erst noch mal mit ihr reden würde. Morgen abend. Innerlich aufgewühlt fuhr sie zu Amir. In ihrer Aufregung vergaß sie allerdings die noch immer geltenden Regeln. Er erinnerte sie nachhaltig an ihr Vergehen. Ein Glück, daß es noch kein Bildtelefon gibt, dachte Désiré bei sich, als Amir ihr später den Hörer zum Telefonieren hinhielt. Nackend, immer noch gefesselt und mit frischen Striemen stand sie während des Telefonats mit Nadine neben Amir. Er hatte die Mithörtaste gedrückt und verfolgte jedes Wort. Désiré verkündete seine Entscheidung. Im Prinzip sei er mit solchen Aktionen einverstanden, habe aber Bedenken. Sich ohne Training in eine solche Situation zu begeben, halte er für Wahnsinn und lehne daher jede Mitwirkung daran ab. Er empfehle Nadine dringend, die Finger von diesem Abenteuer zu lassen. Man konnte die Enttäuschung in Nadines Stimme deutlich hören.
An dem betreffenden Samstagmorgen saßen sie in der warmen Sonne auf dem Balkon beim Frühstücken. Unvermittelt fragte Amir: "Magst du diese Nadine?" Désiré nickte stumm. "Dann zieh dich an und komm!" Er brauste mit ziemlicher Geschwindigkeit in das Städtchen, in dem das Fest stattfinden sollte. Désiré wunderte sich insgeheim, traute sich aber nicht nachzufragen, da Amir sehr verschlossen schien. Und sie wußte inzwischen, daß jedes Maultier neben Amir verblaßte, was die Sturheit betraf. Anscheinend kamen sie gerade noch rechtzeitig. Désiré kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Manchmal war ihr Amir richtig unheimlich. Woher hatte er das nur wieder gewußt? Entgegen seinem Rat hatte sich Nadine auf das Spiel eingelassen. Jetzt lag ein zusammengekrümmtes Häufchen Elend vor ihnen. An einen Pfosten gekettet, lag Nadine auf einer Lage Stroh. Gelenke und Hals von den Eisenfesseln wundgescheuert. Sie erkannte Désiré sofort, die sich über sie beugte und klammert sich an ihr fest. Ihr Schluchzen wurde herzerweichend. Wie ein kleines Mädchen, das seine Mutter im Kaufhaus verloren und jetzt wiedergefunden hatte, dachte Amir bei sich. "Wo ist der Schmied?" Erleichtert bemerkte Désiré, daß Amir wie immer zuerst ans Praktische dachte. Er fluchte enthemmt, als er erfuhr, daß der Schmied zur Mittagspause verschwunden war. Wütend stürmte er aus der Schmiede, ängstlich wichen die Leute ihm aus.
Désiré mußte trotz dem Ernst der Situation kichern. Sie kannte Amir nur zu gut, wenn er so wütend war, sprühte er Funken aus seinen Augen, wie Dietrich von Bern in der alten Sage. Zuerst befreite er Nadine vom Pfosten und trug sie dann zur Schmiede rüber. Bewundernd stand Désiré neben ihm, auch das konnte er anscheinend. "Wo sind deine Sachen?" schnauzte er Nadine an. Die ging innerlich in Deckung, zog den Kopf ein und deutete stumm auf ein Bündel in der Nähe. "Das nimmst du!" befahl er barsch Désiré. Auch die duckte sich, jetzt war nicht der Moment, in dem er irgendeinen Widerspruch oder Ungehorsam duldete. Er warf sich die zappelnde Nadine wie einen Sack über die Schulter und marschierte Richtung Auto. Dort angekommen, hatte er sich schon wieder etwas abgekühlt, sein Ton war immer noch Gehorsam fordernd, aber freundlicher. Nadine und Désiré wurden auf die Rückbank plaziert, mit durchdrehenden Reifen fuhr er an. Er fuhr direkt zu Désirés Wohnung, wo er als Erstes die wundgescheuerten Stellen an Nadines Haut versorgte. Die Ohrfeige kam aus heiterem Himmel. "Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?" herrschte er sie an. "Nix, hä? Wie kann man nur so blöd und ignorant sein!"
Mit offenem Mund starrte Nadine ihn bei der folgenden Gardinenpredigt über Sessions ohne erfahrene Beteiligte, die nicht wissen, was sie da tun, an. Langsam dämmerte ihr, auf was sie sich da eigentlich eingelassen hatte. Er holte tief Luft. "Jetzt koche ich uns was Nettes, o.k.?" und verschwand in der Küche. Beim Essen war die Stimmung bereits heiter und entspannt, die dunklen Wolken schienen verflogen. Trotzdem bestand Amir darauf, daß Nadine bis Sonntagabend bleiben sollte. Und sicherheitshalber sollte Désiré bei ihr in der Wohnung bleiben, er würde morgen früh zum Frühstück wieder auftauchen. Er grinste amüsiert, als er nach dem Öffnen der Tür zwei nackte, kniende Frauen im Flur vorfand, die ihn untertänig begrüßten. Als erstes mußte Nadine ihre Haut vorzeigen. Mit Bedauern in der Stimme stellte er fest, das er sie noch nicht im gleichen Aufzug wie Désiré rumlaufen lassen könne. Die verstand sofort. Gebannt hing Nadines Blick beim folgenden Frühstück auf Désiré. Die trug lederne Fesselmanschette um Hand- und Fußgelenke, ein passendes Halsband vervollständigte ihr Outfit. Amir schlug einen Spaziergang vor. Sie führten dabei ernsthafte Gespräche, die damit endeten, daß Amir Nadine eine Adresse in ihrer Heimatstadt gab. "Ein sehr vertrauensvoller Meister, von dem ich eine Menge gelernt habe. Wende dich an ihn. Er führt dich richtig ein, wenn das wirklich dein Herzenswunsch ist." Selig winkte Nadine beim Abschied aus dem Zugfenster, Amir und Désiré hatten sie zum Bahnhof gebracht. "Und was machen wir zwei Hübschen jetzt?" fragte Amir scheinheilig grinsend. Désiré zuckte ahnungslos mit den Schultern. "Wir gehn ins Kino? Da läuft ein Film, der im Mittelalter spielt!" posaunte er freudestrahlend.
Nachdem der Gedanke schon eine längere Zeit im Raum schwebte, kam es unvermittelt zwischen ihnen beiden zur Sprache, daß Désiré und Amir längerfristig in einer gemeinsamen Wohnung leben wollten. Für eine Übergangsfrist behielt Désiré zwar noch vorerst ihre Wohnung, aber mehr und mehr verlagerte sich ihr Lebensmittelpunkt in das Haus auf dem Land, das Amir schon seit geraumer Zeit ständig bewohnte. Mit Wehmut dachte sie an die Wohnung im Hochhaus zurück. Die einladende Tür, das erste Aufeinandertreffen im Wohnzimmer. Die vielen Stunden, in denen sie dort gelitten und genossen hatte. Stunden voll erstickter Schreie unter der Peitsche und seinen zärtlichen Hände. An endlose Stunden, unbeweglich gefesselt in der stockdunklen, engen Besenkammer eingesperrt. Erst langsam gewöhnte sie sich an den enormen Platz, den das Haus bot. Notfalls konnten sie sich aus dem Weg gehen, wenn dies erforderlich sein sollte. Und es gab durchaus Tage, an denen es besser war, daß es soviel Platz gab. Meist verzog sich Amir an diesen Tagen in die ehemalige Scheune, die gegenüber dem Haus lag und als Tonstudio ausgebaut war. Nur gelegentlich ließ er sich im Haus sehen, was dann erneut Anlaß für einen Streit bot. Erbost rauschte sie ein paar Mal in ihre Stadtwohnung zurück. Dort wiederum fühlte sie sich aber auch nicht wohl.
Ihre Rückkehr aufs Land verlief gänzlich undramatisch; sie war eben einfach wieder da. Bis auf das letzte Mal. "Ich glaube, gegen diese Art von Landflucht sollte ich was unternehmen", Amir grinste breit. "Schließlich verpflichtet mich schon meine Abstammung aus einer Familie, die Jahrhunderte lang die Feudalherrschaft praktizierte, hier energisch einzuschreiten." Sein Grinsen wurde noch breiter, und er winkte Désiré, ihm in den oberen Teil des Hauses zu folgen. Die Überraschung war perfekt. In der Zeit ihrer letzten Abwesenheit, war Amir daran gegangen, bisher weitgehend ungenutzten Raum auf dem Dachboden auszubauen. Eine komplette kleine Wohnung war entstanden, die nur darauf wartete, von Désiré eingerichtet zu werden. Freudestrahlend fiel sie ihm um den Hals. "Freu dich nicht zufrüh, denn es gibt da einen Pferdefuß!" Da er dabei verschmitzt lächelte, schien der Haken nicht allzu groß zu sein. Das eine Einbauregal erwies sich als Geheimtür, die in einen kleinen Raum führte. In der Mitte des halbdunklen Raumes stand im Kegel des einfallenden Lichtes eine Metallpritsche, das winzige Fenster an der Stirnseite war vergittert. In einer Ecke des Raumes konnte sie im Dämmerlicht einen hohen, hölzernen Stuhl erkennen, dessen daran befestigten Lederriemen keinen Zweifel an seiner Funktion ließen. Désirés Blick wanderte weiter durch den Raum, bis sie bei Amir angelangt war. Schweigend versank sie in seinen Augen. Eine verblaßte Erinnerung gewann immer mehr Konturen. Vor einigen Jahren hatte sie in einem Buch das Foto einer Zelle in einer Irrenanstalt vergangener Tage gesehen. Damals schlug sie die Seite abgestoßen heftig zu. Noch ein paar Mal öffnete sie kurz das Buch und betrachtete die Bilder. Wie ertappt blätterte sie jedesmal hastig weiter, wenn sie an die bewußte Seite kam und einen kurzen Blick auf das Foto geworfen hatte. Mit leiser Stimme erzählte sie Amir davon, und auch von der Zwangsjacke aus groben Segeltuch. Er nickte verständnisvoll und ernst. Dankbar fiel sie in seine geöffneten Arme und lehnte sich an ihn. Die Zeit stand still.
Das gleiche Gefühl wünschte sie sich wenig später, als sie erzwungenermaßen bewegungslos in dem ledergepolsterten Holzstuhl saß. Scheinbar entspannt ruhten ihre Arme auf der Lehne, gehalten allerdings von je zwei Lederriemen. Den Blick wegen der Riemen um Hals und Stirn starr geradeaus gerichtet, sah sie Amir zu, wie er das Lager auf der Pritsche richtete und ihr die Möglichkeiten demonstrierte, eine Person hilflos auf die Pritsche zu fesseln. Entsetzt schloß sie Augen. Irgendwie war er in den Besitz eines Gurtsystems gelangt, das man dazu benutzt, unruhige Patienten in einem Bett zu fixieren. Das Ganze lag wartend auf der Pritsche, Amir war gegangen. Es war Désiré schier unmöglich den Blick von den Gurten abzuwenden, sie fühlte sich förmlich angesaugt. Wie eine fleischfressende Pflanze würden diese Gurte sie verschlingen, festhalten und ihr alle Kraft nehmen. Sie bebte leicht und stemmte sich gegen die Ledergurte. Lächelnd betrachtete Amir sie auf dem Monitor. Ein winziges Kameraauge übertrug die Bilder aus Désirés Zelle direkt auf einen Bildschirm. Er weidete sich an dem Anblick, Désiré gegen die Fesseln ankämpfen zu sehen. Eigentlich müßte auch ihr klar sein, daß ihre Anstrengungen absolut vergeblich waren. Aber genau dies war der Punkt.
In Amir keimte der Verdacht, daß sie sich wehrte, um ihre Hilflosigkeit noch deutlicher zu erleben. Dieser Verdacht löste in ihm das Gefühl aus, in einen tiefen Schacht zu stürzen. Die Frage, ob er dann nur Mittel zum Zweck war, und das eigentliche Opfer einer Manipulation, nagte zweifelnd in ihm. Er schloß die Augen und versuchte seine emotionale Betroffenheit von den Fakten zu trennen. Sorgfältig sortierte er die kleinen Puzzlestückchen und formte ein noch undeutliches Bild. Immer wieder bemühte er sich, die entstandenen Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Wie das Öffnen einer Rose im Zeitraffer entfaltete sich eine Einstellung, begleitet von der sich in ihm vertiefenden Ruhe. Das Ganze erschien ihm wie eine Analogie zum Pingpong Spiel. Und wie man sich an der Schönheit eines gelungenen Ballwechsels erfreuen kann, war es auch möglich, diesen Ablauf zu sehen. "Am Schluß zählt, wer die Punkte einfährt", dachte er befriedigt bei sich. "Und die Ballwechsel nicht verpatzt." Belustigt lachte er auf, als sein Blick auf die Uhr fiel und in sein Bewußtsein drang, wieviel Zeit inzwischen verstrichen war. Désiré würde wirklich froh sein, wenn er sie jetzt aus dem Stuhl befreite. Er stand in der Tür und warf versonnen noch einen Blick auf Désiré, bevor er die Tür hinter sich schloß.
Gleich nach ihrer Befreiung aus dem Stuhl aßen sie zu Abend. Désiré trug bereits die Bekleidung, die er ihr für die Nacht zugedacht hatte. Einen türkisfarbenen Gymnastikanzug aus glänzendem Material, der sie von den Füßen bis zum Hals hauteng umhüllte. Sie sah während des Essen immer wieder zwischen ihre Beine hinunter. Doch jedesmal war der Urinkatheter, der aus einem Einschnitt im Schoß herausbaumelte, noch da. Nach dem Essen, das von Seiten Désirés in betroffenem Schweigen verlief, bedeutete er ihr zu folgen. Zögernd legte Désiré sich auf die Pritsche. Bedächtig und sorgfältig legte Amir ihr die gepolsterten Manschetten des Fixiergeschirrs um die Fußgelenke. Ihr Füße zog er einfach an den Gurten in Richtung der Eckpfosten des Bettes, bis sie mit gespreizten Beinen dalag. Als nächstes schloß er den breiten Bauchgurt, der sie in der Mitte der Pritsche unverrückbar auf dem Lager festhielt. Erst beim Schließen der Handgelenkgurte konnte Désiré erkennen, auf welch simple, aber ungeheuer effektive Art die Verschlüsse konstruiert waren. Ein Dorn durch ein Loch, wie bei normalen Gurten auch, aber der Clou war eine kleine Plastikkappe, die auf der Spitze des Dorns eingerastet wurde. Amir bemerkte anscheinend ihre Überraschung und präsentierte stolz den Verschluß, als ob er ihn selbst erfunden hätte. Ohne den kleinen Magneten, der zum Öffnen des Verschlußsystems auf die Kappe gesetzt werden mußte, war ein Entfernen unmöglich.
Amir trat ein paar Schritte zurück und forderte Désiré auf, sich zu bewegen. Da gab es nicht mehr viel, was sie bewegen konnte. Die Beine gespreizt, die Hände rechts und links an den Rahmen gefesselt, der Gurt um die Taille verhinderte sogar ein seitlichen Liegen oder Rutschen, konnte sie gerade noch den Kopf und den Oberkörper anheben. Interessiert quittierte er ihre vergeblichen Bemühungen. Aber offensichtlich war er immer noch nicht zufrieden. Anscheinend hatte er den Fundus eines Krankenhauses geplündert. Denn als er begutachtend einen Schritt zurücktrat, zierte ein halfterartiges, gepolstertes Gurtsystem ihren Kopf. Amir nannte auch den Namen: Glisson-Schlinge und dozierte über die medizinische Verwendung. Désiré hörte nicht zu. Die am Kopfende angebrachten Riemen hielten Désirés Kopf und Oberkörper unverrückbar auf der Unterlage fest. Erregt und schwer atmend schloß sie die Augen. Amir hatte einen ihrer Alpträume wahr gemacht. Von Kopf bis Fuß bewegungsunfähig dazuliegen. In absoluter Hilflosigkeit. Heiße Wellen durchliefen sie. Der Herzschlag schien ihren Brustkorb zu zersprengen, das Blut toste in den Ohren und sie versank kurzfristig in einem roten Nebel. Grade wollte sie mit aller Kraft das Codewort hervorstoßen, als Amir sich zu ihr herunterbeugte und küßte. Aller Widerstand schmolz im Bruchteil einer Sekunde dahin, aber nur um sofort wieder aufzuflackern. In seinem Blick, der auf ihr ruhte, erkannte sie die unbeschreibliche Mischung aus Liebe und Unerbittlichkeit, die sie immer wieder faszinierte, aber auch gleichzeitig erschreckte. Ohne daß er es aussprechen mußte, war ihr klar, wie chancenlos sie war. Ein kleines Wort nur blieb ihr. Aber wenn er es diesmal nicht akzeptierte? Trotzdem starte sie einen lahmen Versuch. Kläglich bettelte sie um Freilassung, gab Versprechungen ab, flehte ihn unter Tränen an. Ungerührt saß er auf der Pritschenkante und streichelte versonnen ihre Hand. Schließlich verstummte sie.
Ein paar Tränen liefen noch aus den Augenwinkeln; Amir tupfte sie mit einem Taschentuch weg. Zärtlich legte er ihr das Bändchen mit dem Magnetschlüssel um den Hals und küßte sie, als er die Schleife band. "Damit er nicht verloren geht!" lächelte er honigsüß, "Denn das wäre echt blöd, oder? Also paß gut drauf auf!" Désiré preßte die Lippen zusammen und schwieg wütend zu seiner Frechheit. Sie spürte, wie er den Katheter an den Ablauf anschloß und augenblicklich der leichte Druck in ihrer Blase verschwand, als der Urin ablief. Sorgsam deckte er sie mit der Bettdecke zu und mummelte sie ein. "Schlaf schön", murmelte er leise, während er ihr einen Kuß auf die Nasenspitze gab. "Bis morgen früh!" Nur noch schemenhaft waren im letzten Licht des Tages die Einzelheiten im Zimmer zu erkennen, nachdem er im Hinausgehen die Beleuchtung gelöscht hatte, bis schließlich vollkommene Dunkelheit in dem Zimmer unter dem Dach herrschte. Unruhig begann Désiré gegen ihre Fesseln anzukämpfen. Langsam und stetig steigerte sie die Kraft, bis sie erschöpft und außer Atem ihre Bemühungen einstellte. Alles Ruckeln und Zerren hatte zu keinen Erfolg geführt. Gelegentlich zuckte fast unwillkürlich ein Muskel, wie um sich davon zu überzeugen, daß sich nichts an ihrer Lage geändert hatte. Langsam glitt sie in den Schlaf, während sie gleichzeitig spürte, wie sich ihr Körpergefühl seltsam veränderte. Auch Amir lag unruhig im Bett. Die Vorstellung, wie Désiré jetzt dalag, ließ ein pochendes und pulsendes Gefühl durch seinen Körper strömen. Es toste in seinen Ohren, sein Herz schlug überdeutlich. Vor seinem inneren Auge formte sich plastisch ein Bild. Désiré in einer festen Zwangsjacke aus derbem Segeltuch. Stück für Stück malte er sich die Einzelheiten aus. Mit einem Mal war er sich sicher. Er wußte, wie er so eine Jacke besorgen konnte. Befriedigt glitt auch er jetzt in den Schlaf, ähnlich wie Désiré spürte er die typischen Veränderungen des Körperempfindens während der Einschlafphase.
Beschwingt stand er am anderen Morgen auf, machte sich fertig und stieg dann ins Dachgeschoß hinauf. Leise und langsam öffnete er die Geheimtür und sah durch den Spalt ins Zimmer. In einem Strahl der hellen Morgensonne lag Désiré und schlief anscheinend noch. Amir zog sich einen Hocker ans Bett und beobachtete sie. Langsam wachte sie auf, sie mußte seine Anwesenheit gespürt haben. "Amir", flüsterte sie leise, als sie die Augen aufschlug. Er beugte sich vor und küßte sie. Unvermittelt zog er die Bettdecke fort und betrachtete Désiré. Die plötzliche Kühle ließ sie leicht schauern. Amir nahm sich ausgiebig Zeit, Désiré in ihren Fesseln zu betrachten. Versonnen begann er, an ihr zu spielen. Die körperlichen Reaktionen setzten prompt ein. Durch den dünnen Stoff war das Steifwerden der Brustwarzen deutlich sichtbar. Sie nutzte die verbliebenen Reste ihrer Bewegungsfähigkeit aus und wand sich unter seinen Finger. Er hielt inne und löste Zug um Zug die Fesseln. Sie streckte sich ausgiebig und bewegte die steifen Gelenke durch. Das Frühstück nahm Désiré im Holzstuhl sitzend ein. Das Tablett stand auf ihren Knien, Amir saß direkt vor ihr auf einem Hocker und fütterte sie. "Jetzt iß brav, damit du nachher dein Trainingsprogramm auch bewältigst!" spottete er. Désiré war irritiert. Schon bald wußte sie, was er darunter verstand. Aber es wäre ihr lieber gewesen, es nicht zu wissen.
Nackend saß sie auf einem Hometrainer. "Damit der Schweiß besser ablaufen kann!" war Amir zynischer Kommentar gewesen. Die Hände mit Ledermanschetten an die Lenkerstange gekettet, die Füße in den Pedalen festgeschnallt, war es ihr unmöglich, den Fahrradsitz zu verlassen. Die kleinen Gewichte an den Brustwarzenklemmen setzten sich schaukelnd in Bewegung, als Désiré gehorsam losstrampelte. Amir deutete auf die Digitalanzeige. "Als Motivation für dein Ausdauertraining habe ich eine kleine Schaltung eingebaut", erklärte er sachlich. "Wenn deine Geschwindigkeit unter den eingestellten Wert sinkt, schaltet sich der Reizstromgenerator ein." Er berührte die Gummibänder an Désirés Oberschenkeln, mit denen die an der Schenkelinnenseite plazierten Elektroden befestigt waren. "Erst wenn du das Tempo wieder erreicht hast, öffnet sich der Kontakt und das Zwicken hört auf, o.k.?" Fragend sah er sie an. Désiré nickte verbissen. "Der Generator ist an eine Zeitschaltuhr angeschlossen. Ist die eingestellte Zeit abgelaufen, kannst du gefahrlos eine Pause einlegen. Aber die Pause ist auch begrenzt. Dann wird der Generator wieder aktiviert. Es wäre besser, du fängst wieder vor Ablauf der Pause an, sonst..." Er ließ die Aussage drohend im Raum schweben. "Für den Anfang reichen drei Trainungseinheiten a 15 Minuten mit jeweils zehn Minuten Pause, denke ich."
Die Zeitschaltuhr stand direkt in Désirés Blickfeld. Bevor sie Protest einlegen konnte, drückte Amir den Startknopf und trat hinter sie. Die elektrischen Schläge bissen in die Schenkel und Désiré begann verzweifelt in die Pedale zu treten. Tatsächlich ließen die Stromschläge bei Erreichen des Tempos nach. Während des Tretens, ein Auge fixierte angstvoll den Tacho, wandte sie sich nach Amir um. Er war gegangen. Heftig strampelnd, um das Tempo zu halten, schluchzte sie wütend und panisch los. Schon bald mischten sich Schweißtropfen unter die abwärts rollenden Tränen. Sicherheitshalber trat sie etwas länger in die Pedale, erleichtert stellte sie fest, daß die Stromschläge tatsächlich ausblieben. Angstvoll fixierte sie die Zahlen auf der tickenden Uhr. Hastig strampelte sie vor Ende der Pause los. Vor Ablauf der Zeit begannen ihr Beine bleischwer zu werden. Mühsam kämpfte sie sich bis zur nächsten Pause durch. Außer Atem schloß sie die Augen und versuchte sich zu erholen. Der erneute Start fiel ihr ungeheuer schwer, fast hätte ihr die Zeit nicht gelangt, um die richtige Geschwindigkeit zu erreichen. Keuchend mühte sie sich über die Distanz. Beinahe hätte sie aufgegeben, nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihr durchzuhalten. Erschöpft schloß sie erneut die Augen und rang nach Luft. Erschrocken riß sie Augen auf und schrie. Sie hatte die Zeit verpaßt. Unbarmherzig pulste der Generator los. Verzweifelt mühte sie sich im Kampf gegen die zunehmende Schwäche ab, das Tempo zu halten. Langsam begannen ihre Beine den Dienst zu versagen. Zitternd trat sie weiter, biß sich auf die Lippen. Trotz Allem registrierte sie nüchtern mit einem Mal, daß es Amir wieder gelungen war, sie an die Grenze zu führen. Der Gedanke mobilisierte eine Kraftreserve in ihr. Erleichtert ließ sie sich zusammensinken, als die Zeit abgelaufen war.
Ihr erschrecktes Zusammenzucken ließ sie fast vom Hometrainer stürzen, augenblicklich entspannte sie sich aber. Ein weiches Handtuch fuhr über ihren Rücken, über den Nacken. Amir rieb sie trocken. Genüßlich streckte Désiré sich dem Rubbeln des Frotteetuchs entgegen. Ergeben stand sie einige Zeit später unter der Dusche. Ihr Kreischen war die einzige Möglichkeit, sich gegen die Temperaturwechsel des Duschwasser zu wehren. Am Duschgestänge befestigte Handschellen hielten Désirés Hände weit über ihrem Kopf weit weg des Temperaturreglers fest. Amir spielte unverdrossen am Hahn, bevor er urplötzlich den Strahl versiegen ließ. Eine große Gummischürze schützte ihn vor Spritzern und der Seife, mit der er Désiré einschäumte. Wieder prasselte das Wasser im Wechsel zwischen heiß und kalt auf sie nieder. Zitternd kuschelte Désiré sich in das flauschige Badetuch, mit dem Amir sie umhüllte und von Duschkopf befreit hatte. Die gefesselten Hände schauten am Hals aus dem Tuch hervor, Amir küßte sanft ihre Finger. Er hob die eingewickelte Désiré an und trug sie ins Bett. Erschöpft schlief sie in seinem Arm ein.
Désiré war das, was man allgemeinhin als "Lerchetyp" bezeichnet. Morgens war sie schon ziemlich aktiv und redete dabei auch sehr gerne. Amir konnte man getrost als einen typischen "Morgenmuffel" bezeichnen, der morgens lieber seine Ruhe hat und sanft in den Tag hineingleitet. An einem düsteren Herbstmorgen, es war ein Sonntag, versuchte Désiré nach dem Aufstehen ein wenig fröhliche Stimmung zu verbreiten. Schon vor dem Frühstücks erzählte sie Amir allerlei Tratsch, plauderte sprunghaft über dies und jenes, wobei sich die Miene Amirs, passend zum Wetter, immer mehr verdüsterte. Irgendwann raunzte er Désiré energisch an, endlich mal den Mund zu halten, was sie unvernünftigerweise nicht tat. Unversehens verschwand er in seinem Arbeitszimmer und erschien erst nach einer ganzen Weile wieder in der Eßküche. Seine Laune war danach verdächtigerweise schlagartig besser. Désiré sollte auch bald erfahren, warum. Während sie aufstand, um munter weiter redend das Frühstück vorzubereiten, stand er plötzlich hinter ihr. Ehe sie richtig bemerkte, was da vor sich ging, hatte er ihre Handgelenke gepackt, mit Handschellen auf den Rücken gefesselt und sie auf einen Stuhl gedrückt. Während Désiré wie betäubt dasaß, zog er seinen Gürtel aus dem Bademantel und schnürte ihn um ihre Oberschenkel und die Sitzfläche fest. Unfähig, aufzustehen, mußte sie mit ansehen, wie er erneut im Arbeitszimmer verschwand und grinsend mit einem Karton unter dem Arm wieder erschien. Mit einer Geschwindigkeit, die sie ihm am Morgen gar nicht zugetraut hätte, fesselte er ihre Fußgelenke mit Riemen an die vorderen Stuhlbeine. Ihr wütender Protest schien ihn nur anzustacheln. Denn trotz anhaltender Proteste und heftigem Zerren an den Fesseln ließ er sich nicht beirren und setzte sein Werk fort, indem er ihre Knie ebenfalls an den Stuhlbeinen fixierte. Den Bademantelgürtel über ihren Oberschenkel tauschte er hämisch grinsend gegen einen Gewichthebergürtel aus. "Paßt von der Optik einfach besser. Das mußt du zugeben, oder?"
Ungerührt von ihrem Kreischen und Schimpfen, packte er sie mit einer Hand im Genick und bog ihren Oberkörper soweit nach vorne, daß ihr Gesicht auf der Tischplatte auflag. Désiré hatte den Eindruck, Amir wäre urplötzlich noch mindestens einen Arm mehr nachgewachsen, denn wie er schaffte, sie gleichzeitig niederzudrücken, ihr eine Hand aus der Handschelle befreite, die freigelassene Hand in einen steifen Ärmel zu schieben, das Gleiche mit der anderen Hand zu wiederholen und etwas außerhalb ihres Gesichtskreises vorne um den Oberkörper zu legen, war ihr ein Rätsel. Erst als sie sich wieder aufrichten konnte, sah sie am zu Boden fallenden Riemen, daß er sie gar nicht mehr selber im Genick gehalten hatte. Korrigierend verkürzte Amir noch einige Riemen, dann saß die Zwangsjacke bombenfest. Désiré starrte ungläubig an sich herunter. Mit vor Staunen offenem Mund sah sie schräg hinter sich nach oben zu Amir. Der nutzte die Situation geistesgegenwärtig aus. Mit aufsteigender Panik mußte sie erleben, wie er ihr sorgfältig den Mund mit einem Schwamm ausstopfte und den Knebel mit einem Tuch, fest um ihren Nacken verknotet, vervollständigte. Bestätigend nickte er ihr zu. Es war eine Kopie der Zwangsjacke aus dem Buch. Désiré standen kleine Schweißperlen auf der Stirn. Anscheinend war er immer noch nicht zufrieden. Denn Amir zog einen breiten Gürtel unter den kreuzweise vor dem Bauch gefesselten Armen um Bauch und Stuhllehne, bis Désiré fast die Luft wegblieb und als er einen weiteren Gürtel um ihrer Brust und die Lehne geschlungen hatte, saß sie zwar vorbildlich aufrecht, aber bewegungsunfähig da. Befriedigt trat Amir zurück und betrachtete sein Werk. Er küßte Désiré sanft auf die Nasenspitze und machte sich dann in aller Seelenruhe daran, das Frühstück zu richten; Désiré schien es, als ließe er sich absichtlich viel Zeit, während es innerlich in ihr kochte und tobte. Er verschwand zu allem Überfluß im Bad und voller Verzweiflung hörte sie die Dusche rauschen.
Angestrengt tobte sie gegen die Fesseln an. Aber alles Zerren half nicht weiter, sie blieb unverrückbar mit dem Sitz verbunden. Resigniert stellt sie die Bemühungen ein, so saß sie absolut bewegungslos und ergab sich der Lage. Nach einer Ewigkeit erschien er fröhlich vor sich hin pfeifend wieder in der Küche. Er setzte sich Désiré gegenüber an den Tisch, nickte ihr freundlich lächelnd zu und begann im Zeitlupentempo, so erschien es jedenfalls der fassungslosen Désiré, sein Frühstück zu verzehren, ohne sich um ihre wutentbrannten Blicke zu kümmern. Mit der Zeit setzte eine seltsame Verwandlung ein, Désirés Wut verwandelte sich in stille Ergebenheit, und als er sie freundlich fragte, ob sie Hunger hätte, nickte sie eifrig in der Hoffnung, daß Amir sie jetzt befreien würde. Zu ihrer übergroßen Enttäuschung entfernte er allerdings lediglich den Knebel. Vehement begann Désiré ihre sofortige Freilassung zu fordern, aber als er nicht reagiert, verlegte Désiré sich auf Bitten. Auch das fruchtete nicht. Statt dessen bereitete er ungerührt für sie das Frühstück, beugte sich über den Tisch vor und versuchte ihr die Bissen in den Mund zu schieben. Désiré kniff die Lippen so eng aufeinander, daß sie nur noch aus einem schmalen Strich zu bestehen schienen und schüttelte bockig den Kopf. Seine Hand schwebte in der Luft. "Wenn du keinen Hunger hast, sag's nur. Dann räum ich ab. Ansonsten...!" Désiré schloß die Augen und öffnete zaghaft den Mund. Nach ein paar Bissen konnte Désiré die ungewohnte Situation genießen und öffnete bereitwillig den Mund, sobald ein neuer Happen vor ihren Gesicht auftauchte. Auch wenn Amir darauf achtete, ihr den Tee langsam einzuflößen, kleckerte Désiré beim Trinken wie ein ungeschicktes Kleinkind. Beschämt schlug sie den Blick nieder. Und als er aufstand, aus dem Badezimmer ein Handspiegel holte, und ihn Désiré lachend vorhielt, wurde sie knallrot. Marmelade und Butter hatten rund um den Mund ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Sorgsam putzte Amir sie ab. Zwar hatte es ihr vor Peinlichkeit sowieso die Sprache verschlagen, aber Amir bestand darauf, sie nach ihrer Säuberung umgehend erneut zu knebeln. Désiré erhielt einen zarten Kuß auf die Wange, seine Zunge züngelte kurz um Désirés Ohr, was ihr eine Gänsehaut verpaßte, und dann räumte er in aufreizender Langsamkeit den Frühstückstisch ab. Im Schneckentempo versorgte er die Küche.
Désiré war bereits innerlich wieder am Kochen, als sie bemerkte, daß er sich zu ihr an den Tisch setzte, und die Zeitung zu lesen begann. Daß man so lange brauchen kann, um eine Zeitung zu lesen, war ihr unbegreiflich. Nach einer Phase der schäumenden Wut war es ihr, als ob sie plötzlich in ein tiefes, bodenloses Loch fiel, Panik und Auflehnung, gemischt mit Hilflosigkeit machten sich anstelle der Wut in ihr breit. Während des Lesens blickte er sie immer wieder lange mit intensiven Blicken über den Rand der Zeitung an, mit einem Mal hatte sie das Gefühl zu zerfließen und ihr wurde, trotz ihrer wirklich mißlichen Lage, ganz warm im Brustkorb; sie konnte leicht und tief durchatmen. Innerlich fühlte sie sich schlagartig ruhig und friedlich. Amir bemerkte die Veränderung und lächelte. Das Schwarze seiner dunklen Augen wurde noch schwärzer und verwandelte sich in einen endlosen Tunnel. Désiré fiel in die Endlosigkeit.
Wie so oft nach dem Sonntagsfrühstück lagen sie bald darauf eingekuschelt im Bett. Im Gegensatz zu sonst jedoch, ohne daß sie ihre Arme um ihn schlingen konnte. Noch immer hielt die Zwangsjacke die Arme unverrückbar vor dem Bauch fest. Amir döste vor sich hin. Gelegentlich stöhnte er gequält, wenn Désiré nervös zappelte. Ein undeutliches Grunzen war die Antwort auf ihre wiederholte Frage, ob ihm das Frühstück gefallen habe. Sie fragte solange nach, bis er die Augen öffnete. Das Glitzern in seinen Augen reichte. "Duuh?" Ein knurriges Ja war seine einzige Reaktion. Sie kuschelte sich noch näher an ihn. "Duuh? Ich weiß jetzt, wie ich dir den Sonntagsmorgenmuffel austreibe!" Ein verständnisloser, fragender Blick. "Ich könnte dich öfter mal mit ein bißchen Tratsch am Morgen aufmuntern, oder?" Kurzes Schweigen. Désiré beobachtete ihn lauernd. Er grinste breit.
Schon seit einigen Tagen stand diese riesige, rätselhafte Holztruhe in einer freien Ecke ihres Schlafzimmers. Ein Freund von Amir mußte für einige Monate beruflich ins Ausland und hatte für diese Zeit seine Wohnung vermietet. Der Freund hatte ihn mit einem verschwörerischen Augenzwinkern gefragt, ob er seine Schatztruhe für diese Zeit zur sicheren Aufbewahrung bei ihnen unterstellen dürfe. Es hatte Désiré geärgert, daß Amir im Gegensatz zu ihr anscheinend über den Inhalt eingeweiht war. Auf ihr bohrendes Fragen murmelte er jedenfalls immer etwas von persönlichen Hobbyartikeln seines Freundes, die nicht für Fremde bestimmt waren. Also galt sie offensichtlich auch als Fremde. Ihr Groll wuchs fast täglich. Im gleichen Maß stieg auch ihre Neugier. Immer, wenn er abwesend war, strich sie neugierig wie eine Katze um die Truhe und untersuchte sie ausgiebig. Es ließ sich von außen aber auch nicht ein Hinweis auf den Inhalt finden. Die Gelegenheit schien daher mehr als günstig, als Amir über Nacht wegen eines Studiotermins mit der Band fort mußte. Sie hatte beschlossen, der Sache jetzt endlich auf den Grund zu gehen. Das Schloß der Truhe schien ein Allerweltsfabrikat zu sein und als Désiré die verschiedene Schlüssel all ihrer Schränke der Reihe nach durchprobierte, fand sie tatsächlich einen Passenden. Mit einem hellen Klicken sprang der Verschluß auf; Désiré hätte vor Freude fast laut gejubelt. Sie knabberte vor Spannung auf der Unterlippe und hob sachte den Deckel an.
In gespannter Erwartung zog sie sachte und vorsichtig, damit keine unliebsame Überraschung passierte, das goldfarbene Samttuch weg, mit dem der Blick in die Truhe versperrt war. Désiré hielt den Atem an, der Inhalt verschlug ihr einfach die Sprache. Eine Menge bunter Magazine, Hefte und Kataloge blinkte ihr entgegen. Deren Inhalt stockte ihr zusätzlich den Atem. Noch nie zuvor hatte sie so etwas gesehen. Alle Bilder, Darstellungen und Inhalte befaßten sich ausschließlich mit einem bizarren Thema. Männer und Frauen, die wie Pferde herausgeputzt waren, oder zum Teil fast sogar so aussahen. Es gab Bilder von Leuten, die Sättel trugen und Zaumzeug, Kutschen wurden gezogen oder Gangarten trainiert. Und unter der Schicht mit Büchern kam ein Gewirr von Lederriemen und anderen Gegenständen zum Vorschein. Sie breitete den Inhalt wahllos auf dem Bett aus und betrachtete jedes Teil eingehend. Das Meiste konnte sie auf Fotos in den Magazinen wiedererkennen. Sie wühlte weiter. Nach den Riemen tauchten verschiedene Kleidungsstücke auf. Eines davon erregte spontan ihre besondere Aufmerksamkeit. Sie legte es auf das Bett und fuhr versonnen mit der Hand darüber. Es handelte sich um eine Art Catsuit, aus dunkelbraunem Kunstfell gefertigt, das tatsächlich echtem Pferdefell täuschend ähnlich sah. Probehalber hielt sie das Kleidungsstück an ihren Körper und betrachtete sich dabei im Ankleidespiegel des Schlafzimmerschranks. Da sie sich dabei betrachtend drehte und wendete, rutschte es ständig aus der Position. Ein verdeckter Reißverschluß im Rückenbereich war schnell geöffnet. Ebenso schnell war Désiré aus ihrer Kleidung geschlüpft und Augenblicke später konnte sie ohne Störungen den Sitz im Spiegel begutachten. Da der Ganzkörperanzug aus elastischem Material hergestellt war, paßte er sich perfekt der Körperform an, wobei kleinere Größenunterschiede ausgeglichen wurden. Die Umhüllung saß faltenfrei und behielt seine Paßform auch bei Bewegungen. Der Anzug bedeckte den Körper fast vollständig, die angearbeitete Kapuze umschloß den Kopf und ließ nur ein schmales Oval des Gesichtes zwischen Mund und Augenbrauen frei. Um die Illusion perfekt zu machen, verlief vom Scheitel bis in den Nacken eine schwarze bürstenartige Mähne. Ergänzt wurde die Optik durch Nachbildungen von Pferdeohren, die rechts und links an den Seiten befestigt waren. Die Hände und der offene Schritt waren die einzigen Stellen ihres Körpers, die ebenfalls nicht bedeckt waren.
Gleichzeitig belustigt und fasziniert posierte sie vor dem Ankleidespiegel und betrachtete ausgiebig ihre Erscheinung. Ohne den Anzug wieder auszuziehen, wühlte sie in der Truhe weiter. Ganz unten am Boden stieß sie auf Schuhe unterschiedlicher Größen und Machart. Ein Paar Stiefel konnte sie fast nicht wieder loslassen. Unschlüssig drehte sie die Stiefel eine Weile in den Händen. Zweifel stiegen langsam in ihr auf, war sie nicht schon zu weit gegangen, was tat sie hier eigentlich? Schon wollte sie alles wieder säuberlich in die Truhe zurücklegen, als ihre Neugier die Oberhand gewann. Sie hatte ja Zeit genug, er würde heute Nacht ja außerhalb übernachten müssen und niemand würde etwas merken. Also fuhr sie fort und beim Weitermachen lösten sich ihre Bedenken vollends auf, so daß sie ihrer Wißbegier freien Lauf lassen konnte. Noch einmal betrachtete sie eingehend die wadenlangen Stiefel. Sie waren aus schwarzen, matt schimmernden Leder gefertigt und besaßen vorne eine durchgehende Schnürung. Das Besondere aber war, daß sie keinen Absatz besaßen. Wer immer sie trug, war gezwungen, wie eine Ballerina auf den Zehenspitzen zu laufen, und zwar in einer Schuhspitze, die wie ein Huf geformt war. Sie ließ sich auf die Bettkante plumpsen und schlüpfte probehalber in die Stiefel. Zu ihrem Bedauern waren sie viel zu groß. Aber hatte sie nicht beim Wühlen in der Kiste ein ähnliches, aber anscheinend kleineres Paar gesehen? Sie schüttelte die Stiefel von den Füßen, suchte erneut in der Truhe, und wurde sofort fündig. Sie hielt die beiden Paare vergleichend nebeneinander. Das zweite Paar war deutlich kleiner. Wieder setzte sie sich auf die Bettkante und schlüpfte in die Stiefel. Immer noch etwas zu groß. Aber wenn sie ein Paar Wollsocken anziehen würde? Hastig kramte sie im Kleiderschrank. Kritisch wägte sie ab, bis sie sich für ein geeignetes Paar entschieden hatte. Wieder schlüpfte sie in probehalber in einer der Stiefel. Diesmal paßten sie wie für sie gemacht. Schnell war die Schnürung fest geschlossen, so daß die Stiefel wie angegossen mit festem Druck ihre Waden umhüllten.
Fast mußte sie lachen, als sie versuchte aufzustehen und stehen zu bleiben. Sie stellte sich dabei so unbeholfen an, wie damals als sie das erste Mal auf Inlineskatern gestanden hatte. Kräftig mit den Armen um Balance rudernd, stelzte sie in den ungewohnten Stiefeln vor den Spiegel. Das Stehen fiel ihr leichter als das Gehen, aber nach einer Weile des Auf- und Abstolzierens, konnte sie recht passabel schreiten. Belustigt stellte sie sich vor, in diesem Aufzug auf den Karneval zu gehen. Sie ging vorsichtigen Schritts zum Bett zurück und ließ sich ächzend wieder auf die Bettkante niederplumpsen, um sich zu entkleiden. Sie wollte sich gerade zu der Schnürung der Stiefel herunter beugen, als ihr Blick auf eines der aufgeschlagene Magazine fiel, neben die sie sich gesetzt hatte. Die Lust am Experimentieren ließ sie innehalten. Sie verglich einige der Lederriemengeflechte aus der Truhe mit den Bilder in dem Heft. Kurz darauf stand sie wieder vor dem Spiegel und hielt sich probehalber einige weitere Stücke aus der Truhe vor den Körper. Irgendwie war das Ganze noch etwas undurchsichtig, so kam sie auf die Idee, einige Magazine mit entsprechenden Bilder auf einem eilig herbeigerückten Stuhl neben dem Spiegel zu plazieren. Wie mit Hilfe einer Gebrauchsanweisung konnte sie jetzt die Einzelteile zuordnen. Eine Anordnung gefiel ihr vom Aussehen ganz besonders. Die Lederriemen, aus denen das Geschirr bestand, waren aus dem Gleichen mattschwarzen Leder wie die Stiefel, zusätzlich waren die Kanten mit schmalen roten Lederstreifen gesäumt. Zu dem dunkelbraunen Fellanzug harmonierte es im Aussehen sehr gut. Immer wieder benutzte sie die Bilder als Instruktionshilfe für das Anlegen des Ledergeschirrs, ihr Blick wanderte öfters vergleichend zwischen den Fotos und dem Spiegelbild. Teilweise mußte sie sich etwas verrenken, um alles an Ort und Stelle zu montieren, oder sogar vorübergehend etwas wieder demontieren. Aber schließlich hatte sie es geschafft.
Kritisch überprüfte sie das Ergebnis ihrer Bemühungen im Spiegel. Ein sehr breiter Riemen umschlang ihre Taille und war vorne mit zwei Schnallen zu schließen. Jeweils seitwärts davon waren zwei Riemen vernietet, die durch den Schritt wieder nach oben an die Rückseite geführt wurden. Auch diese Riemen konnten, wie alle anderen Riemen des Geschirrs auch, mittels Schnallen in der Länge angepaßt werden. Von dem breiten Taillenriemen liefen zwei weitere Riemen wie Hosenträger gekreuzt über die Schultern nach hinten an den Gürtel. Prüfend glitten ihre Hände über die Riemen, um aus einem plötzlichen Entschluß heraus an die Schnallen zu greifen und die Riemen jeweils um ein Loch zu verkürzen. Der erhöhte Druck erregte sie umgehend, sie mußte ein paarmal heftiger atmen. Auch der Kopf war von einem Riemengeflecht umgeben. Um die Stirn herum lief der zentrale Riemen. Daran waren Riemen. die kreuzförmig über die Schädeldecke verliefen. Sie verhinderten, daß der Stirnriemen in Richtung Augen herunterrutschen konnte. An den Schläfenriemen waren in Höhe der Augen Scheuklappen montiert, die aber auch mit Druckknöpfen vor den Augen zu befestigen waren, was Désiré auch kurz probierte. In dieser Stellung war ihr die Sicht vollkommen verhindert. Daß der Stirnriemen nicht nach oben rutschen oder abgezogen werden konnte, verhinderte ein Riemen, der unter dem Kinn herum geführt war. Von diesem Kinnriemen führte ein weiterer Riemen um den Nacken, so daß auch der Kinnriemen unverrückbar fest saß. An diesem Nackenriemen war gleichzeitig eine Befestigungsmöglichkeit für die Trense. Die gummiüberzogene Beißstange aus Metall hielt Désiré unschlüssig in der Hand. Es kostete sie einige Überwindung, die Stange zwischen den Zähnen zu plazieren und mit den Zügeln zu verbinden. Die Zügeln baumelten locker über ihre Schultern hinweg auf dem Rücken. Sie griff probehalber mit beiden Händen hinter ihrem Genick nach den Zügeln und zog leicht daran. Tatsächlich übertrug sich der Zug sofort auf die Stange in ihre Mundwinkel, was sehr unangenehm war. Sie erkannte sofort, daß sie auf diese Weise sehr leicht in eine gewünschte Richtung zu lenken sein würde, wenn jemand anderes an den Zügeln ziehen sollte. Wieder drehte sie sich posierend vor dem Spiegel, die Hände an der Taille. Fast sah es so aus, als ob eines der Fotos aus den Magazinen lebendig geworden wäre.
Sie wollte gerade die Magazine vom Stuhl in die Truhe zurücklegen, als sie bei einem der Hefte eher zufällig die Seiten umblätterte. Wenn sie es nicht besser gewußt hätte, schienen die Fotos auf dieser Seite sie selbst abzubilden, so groß war die Ähnlichkeit. Verblüfft betrachtete sie die Bilder eingehend. Es gab kleine Unterschiede in der Haltung der Frau auf dem Foto und ihr, sonst wären sie zwillingshaft gewesen. Irgendwie spornte sie die Idee einer kompletten Übereinstimmung an, und sie untersuchte die Darstellung genauer. Unruhig durchwühlte sie den Inhalt der Truhe erneut, bis sie das Gesuchte gefunden hatte. Triumphierend hielt sie einen Riemen und zwei Handfesseln in die Höhe. Problemlos waren die Fesseln an den Handgelenken befestigt, aber die Verwendung des Riemens bereitete ihr Schwierigkeiten. Vor dem Spiegel stehend, senkte sie den Kopf ganz auf die Brust, bis sie die Ringöse direkt oben am Scheitel sehen konnte, dort wo der kreuzförmige Riemen über ihre Schädeldecke am Scheitel zusammentraf. Den Karabinerhaken an dem einen Ende des Riemens klinkte sie in die Ringöse am Scheitel ein und stellt sich wieder aufrecht, um das Ergebnis im Spiegel zu betrachten. Nun hob sie mit einer leichten Bewegung den Zügel, der immer noch, genau wie der neue Riemen den Rücken herabbaumelte über den Kopf nach vorn, denn er wäre beim nächsten Schritt im Weg gewesen. Sie dreht den Kopf über die linke Schulter und dreht sich dabei seitwärts zum Spiegel, damit sie die Riemen auf dem Rücken sehen konnte. Die Scheuklappen verstellten ihr die Sicht. Verärgert biß sie sich auf die Unterlippe. Das Badezimmer. Ein Leuchten erstrahlte in ihren Augen. Im geräumigen Bad gab es zwei genau gegenüberliegende Spiegel. Désiré packte alles zusammen, was sie noch benötigte und stelzte ins Bad hinüber. Prüfend posierte sie vor den Spiegel. Sie sah sich jetzt leider nicht mehr von Kopf bis Fuß wie im Ankleidespiegel des Schlafzimmerschranks, aber es reichte.
Erleichtert setze sie ihre Verwandlung fort. Es war ihr nicht aufgefallen, aber dort wo sich der Rückenriemen kreuzte, gab es ebenfalls eine Ringöse. Dort hinein ließ sie den Karabiner des am Kopf baumelnden zweiten Riemenendes schnappen. Ihr Kopf sank in den Nacken und mit beiden Händen angelte sie hinter ihrem Rücken nach der Schnalle in der Mitte des Riemen. Es gelang mit einigen Verrenkungen den Dorn aus dem Loch zu ziehen und mit Unterstützung beider Hände den Riemen fest von oben und unten zusammen zuziehen, um ihn zu verkürzen. Der Dorn schnappte fast von selbst in das Loch, sie fingerte noch unter Schnaufen das lose Ende durch die Sicherungsschlaufe der Schnalle und ließ dann erleichtert die Arme sinken. Der Riemen war jetzt soweit verkürzt und dadurch der Kopf in den Nacken gezogen, daß ihr Blick direkt an die Zimmerdecke gerichtet war. Um den Fußboden sehen zu können, mußte sie den Oberkörper stark nach vorne beugen, was sie wegen ihrer Stiefel so aus der Balance brachte, daß sie darauf verzichtete. Der Zügel auf dem Bild war im Rücken der Frau an einen Ring, der in einem Balken verschraubt war, verknotet. Als Ersatz mußte die Handtuchhalterung herhalten. Die Entfernung reichte gerade aus, um sie wieder zwischen die Spiegel treten zu lassen. Aufmerksam musterte sie die Spiegelbilder. Es fehlte nur noch ein Schritt, bis sie eine vollkommene Kopie des Bildes darstellte. Sie legte die linke Hand hinter den Rücken und griff mit den Fingern nach dem rechten der Riemen, die über ihren Rücken liefen und tastete sich langsam aufwärts, bis ihre Fingerspitzen die Ringöse in Höhe der Schulterblätter spürte. Mit der Hand fischte sie nach dem Seilkarabinerhaken, der an der linken Handfessel angebracht war und ließ ihn in die rechte Ringöse einschnappen. Erleichtert sank sie für einem Moment in sich zusammen, bis sie mit einer Anspannung dasselbe mit der rechten Hand wiederholte, die sie in die Ringöse des linken Rückenriemens einklinkte. Beim Betrachten im Spiegel stellte Désiré befriedigt fest, daß sie ihr Ziel erreicht hatte.
Stolz drehte sie sich hin und her, um sich von allen Seiten zu bewundern. Fast bedauernd beschloß sie die Präsentation zu beenden, als die ungewohnte Haltung ihrer gekreuzt auf den Rücken gefesselten Arme unbequem wurde. Ihre anfängliche Unruhe steigerte sich nahtlos in Panik und Entsetzen, als es ihr nicht gelang, die Karabinerhaken der Handfesseln aus den Ösen zu lösen. Sie zerrte und ruckelte, ihre Finger flogen von einem vergeblichen Versuch zum Nächsten. Im entscheidenden Moment rutschte ihr entweder der Haken aus den inzwischen feuchten Fingern oder es fehlte der entscheidende Millimeter, um den Haken aus der Öse zu heben. So kam sie nicht weiter, also versuchte sie die Schnalle an den Handfesseln zu erreichen, um sie zu öffnen. So sehr sie sich auch verrenkte, es gelang ihr beim besten Willen nicht, an die Schnallen zu gelangen. Sie kämpfte bis zur Erschöpfung weiter gegen die Fesseln an, Schweiß rann überall an ihr herab und ihre Beine begannen zu zittern. Désiré begann leise zu schluchzen und die Tränen liefen über ihre Wangen. Erst einmal mußte sie sich irgendwo hinsetzen, eine Weile ausruhen und überlegen, was sie weiter unternehmen konnte. Schneuzend schluckte sie und setzte sich in Bewegung. Auf halber Strecke riß unvermittelt die Beißstange ihre Mundwinkel schmerzhaft nach hinten, die abrupte Haltebewegung ließ sie straucheln und fast stürzen. Sie hatte den Zügel vergessen. Vorsichtig stelzend bewegte sie sich rückwärts in Richtung Handtuchhalter, bis sie mit den Fingern den verknoteten Riemen an der Stange tasten konnte. So sehr sie auch fingerte, der Knoten hatte sich offensichtlich durch den starken Ruck so sehr festgezogen, daß sie ihn nicht lösen konnte.
Wütend ergriff sie den Zügel mit ihren gefesselten Händen und zerrte daran, um ihn loszureißen. Der einzige Erfolg war, das sich der Knoten noch fester zusammenzog, aber auch die Stange hielt fest in der Wand. Immer stärker zerrte sie an dem Riemen, schließlich hängte sie, soweit es ging, ihr Gewicht in den Zug. Die Stange bog sich zwar ein klein wenig, blieb aber bombenfest mit der Wand verbunden. Jetzt war es eher Wut über sich selber und ihr unbedachtes Abenteuer, das sie schluchzen und weinen ließ. Doch bald wich die Wut der Panik, als ihr klar wurde, daß niemand da war, der sie in absehbarer Zeit aus ihrer mißlichen Lage befreien könnte. Abwechselnd tobten Panik und Wutgefühle in ihr. Sie schloß die Augen und lehnte sich weiter schluchzend an die kühle Kachelwand. Ab und an öffnete sie die Augen und sah zu dem Radiowecker auf dem Regalbord über der Schmutzwäschetruhe. Es erschien ihr eine Verstärkung ihrer Folter, wie langsam die Zeit dahin kroch. Ebenso langsam rutschte sie schließlich auf den Toilettensitz nieder, da sie nicht mehr länger stehen konnte. An die Wand gelehnt, übermannte sie die Erschöpfung; sie nickte ein. Désiré schreckte aus dem unruhigen Schlaf auf, und meinte, ein Geräusch gehört zu haben. Ein Blick auf den Wecker zeigte ihr, daß es erst drei Uhr morgens war, sie hatte somit noch eine sehr lange Zeit des Wartens vor sich. Resigniert seufzend schloß sie die Augen, um weiter zu dösen.
Wie ein elektrischer Schlag durchfuhr sie ein Geräusch in Amirs Zimmer. Nach einer Schrecksekunde, die sie vollkommen gelähmt hatte, rappelte sie sich zum Stehen hoch. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Mit verwundertem Blick stand Amir in der Badezimmertür und starrte sie entgeistert an. Am liebsten wäre sie vor Scham im Boden versunken und brach wieder in Tränen aus. Jetzt waren es Freudentränen, sprudelnd wollte sie erzählen, was sich zugetragen hatte. Allein die Beißstange zwischen ihren Zähnen ließ nur ein unartikuliertes Brabbeln zu. Grinsend umkreiste er sie und kommentierte bewundernd ihr Aussehen. Mit verschränkten Armen setzte er sich vor ihr auf die Badewannenkante und genoß den Anblick. Obwohl er sie einigermaßen verstanden hatte, tat er so, als habe er ihre Bitte um Freilassung nicht gehört. Mit Nachdruck wiederholte sie ihr Flehen, das er weiter ignorierte. Vor Wut stampfte Désiré mit einem Fuß auf, was ihn gemeinerweise dazu veranlaßte, wie ein Pferd zu schnauben und zu wiehern. Und als er sie seine Vollblutstute nannte, schossen schon wieder die Tränen. Wütend biß sie auf die Stange zwischen ihren Zähnen und blitzte ihn an. Nachdem er keine Reaktion zeigte, änderte sich ihr Gesichtsausdruck, sie verlegte sich wieder aufs Bitten und Flehen. Er stand auf und entfernte lediglich die Beißstange und den Riemen, der ihren Kopf in den Nacken zwang, bevor er sich wieder auf die Badewanne setzte. Sie wollte protestieren, besann sich aber eines Besseren, als er sie aufforderte, zu erzählen, was passiert war.
So berichtete sie stockend in allen Einzelheiten ihr Mißgeschick. Am Ende des Berichtes wiederholte sie ihre Bitte, daß er sie befreien möge. Eigentlich habe sie für ihr unbefugtes Öffnen der Truhe Strafe verdient, entgegnete er, aber das habe sie ja schon selbst erledigt, fügte er grinsend hinzu und trat auf sie zu. In diesem Moment verließen sie ihre Kräfte und sank in sich zusammen. Er fing sie auf und stützte sie, während er mit einer Hand den Zügel entfernte. Amir hob nahm sie auf die Arme und trug sie zum Bett. Dort ließ er sie vorsichtig auf die Bettkante sinken, bevor er ihre Hände löste. Während sie sich die schmerzenden Arme massierte, öffnete er die Schnallen des Geschirrs und entfernte alle Riemen. Endlich konnte sie wieder tief und erleichtert durchatmen. Danach beugte er sich vor, öffnete die Schnürung der Stiefel und zog sie ihr aus. Kopfschüttelnd und vor sich hin schimpfend half er ihr noch aus dem Anzug und unter die Bettdecke zu schlüpfen. Im Nu war sie nach seinem Kuß eingeschlafen.