Susanne
Ballerinas
Ich hatte Susanne vor Wochen in der S-Bahn angesprochen, nachdem sie mich angelächelt hatte, wahrscheinlich deshalb, weil wir beide eine Gitarre dabei hatten. Es ergab sich also ganz schnell ein Gesprächsthema. Ich wohnte damals in einem alten Bauernhaus an der Endstation der Linie und fragte sie, wohin sie eigentlich wolle. „Zu meiner Tante“, meinte sie. „Ich habe nur noch sie“. Ich fragte, wo die Tante denn lebte, und es kam heraus, dass sie auch in meiner Kleinstadt lebte, ich kannte sie sogar vom Sehen, eine Mitvierzigerin und eine echte Schönheit, die bei einem jungen Kerl Anfang zwanzig durchaus zu ganz erheblichen Gefühlsstürmen sorgen konnte. „Du gleichst deiner Tante aber…“ traute ich mich zu sagen. Und das war leicht untertrieben, denn Susanne war von schier atemberaubender Schönheit, zumindest in meinen Augen, allein ihre naturbrünetten, weit über die Schultern herabfallenden, glatten Haare ließen mich augenblich davon träumen, wie sie mit dem Rücken zu mir gewandt auf mir saß, sodass ich ihren Rücken mit Haaren, die fast bis zum Po gingen, genießen konnte, und mich dabei gerade so schnell abmelkte, dass es ihr dabei kam, während ich noch zu zappeln hatte. „Woran denkst du gerade?“ wollte sie wissen, und da ihr Anblick, den sie mir bislang gewährt hatte, wohl noch nicht genug war, zog sie nun das rechte Bein hoch und legte den rechten Fuß unter ihre linke Kniekehle. Für sie – vielleicht - ganz normal das Einnehmen einer für sie komfortablen, lockeren Sitzhaltung, ein Signal der Behaglichkeit und Vertrautheit, für mich – allerdings – ein Schlüsselreiz, allein schon die Position, aber noch verstärkt dadurch, dass ihr Fuß nackt war und sie außerdem mit einer Hand daran spielte, wie das eben Frauen gerne mal tun. Es war Spätsommer, und sie trug eine knöchelfreie Röhrenjeans und darüber einen recht eleganten Blazer über einem leichten Rolli trotz der noch spätsommerlichen Wärme an diesem Septembermorgen.
In der offenen Seitentasche ihrer Gitarrenhülle steckten zwei rote Ballerinas, wie ich erst jetzt bemerkte. „Ich gehe gerne barfuß“, meinte sie. Ein Schaudern - war es ein wohliges? – überkam mich, wusste sie womöglich schon, was in mir vorging? „Aber nicht zu lange und nicht zu weit, sonst bekomme ich eine Hornhaut, und das mag mein Freund nicht so“.
Natürlich war so eine Frau nicht allein, wie konnte ich das auch nur einen Moment denken. „Lebt dein Freund auch im Ort?“ –„Nein, er lebt in München, und ich hoffe, ihn morgen endlich zu sehen. Weißt du, ich habe Mist gebaut und war zwei Jahre im Knast, seit heute morgen erst kann ich wieder frei atmen!“ – „Gut, dass du das hinter dir hast“, erwiderte ich und wunderte mich darüber, wie cool das kam. „Ich bin auch froh! Und wie!“ – „Klasse!“ – „Meinst du, er ist mir treu geblieben? Ist eigentlich auch egal. Hauptsache, er fickt mich endlich mal wieder richtig durch, nach zwei Jahren brauch ich das wirklich.“ -
(Fortsetzung folgt)